COSMEA® Wonderwomen – Berichte von den Frauenhäusern Dortmund, Leipzig, Emden, Hessen und Ludwigshafen.
Liebe COSMEA® Wonderwomen, Ihr wisst, dass uns Transparenz am Herzen liegt und wir Euch grundsätzlich alles offenlegen.
Welche Geschichte/welches Schicksal hat Euch in den letzten Jahren sehr bewegt?
Frauenhaus Dortmund: >> Es gibt so viele Frauen und Kinder, die im Laufe der letzten 40 Jahre zu uns in das Frauenhaus gekommen sind, dass es schwer ist, ein einzelnes Schicksal herauszugreifen. Schön ist, dass viele Frauen den Weg in ein Frauenhaus finden. Viele Frauen können dann ein gewaltfreies Leben mit ihren Kindern starten.
Frauenhaus Emden: >> Es gibt viele Lebensgeschichten, die uns bewegen. Besonders traurig ist es, wenn wir Frauen erleben, die sich ein neues Leben völlig anonym ohne ihren Partner aufgebaut haben und der Partner sie zu einem späteren Zeitpunkt findet. Dann beginnt der Horror von vorne.
Was sind die größten Schwierigkeiten oder Herausforderungen für Frauenhäuser?
Frauenhaus Dortmund: >> Frauenhäuser sind keine Pflichtaufgabe des Staates, weshalb viele Frauenhäuser unterfinanziert sind. Das heißt, es gibt zu wenig unterstützendes Personal oder die Ausstattung der Frauenhäuser ist nicht adäquat.
Frauenhaus Leipzig: >> Es gibt deutschlandweit Schwierigkeiten mit der Vorhaltung von ausreichend Schutzplätzen für von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen und Kinder – die Umsetzung der in der Istanbul-Konvention geforderten Ziele, zu deren Erreichung sich Deutschland im Jahr 2018 verpflichtet hat, geht eher schleppend voran. Deutschland hat sich mit der Zeichnung der Istanbul-Konvention zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, zum Schutz der Opfer und zur Bestrafung der Täter verpflichtet. Die Konvention zielt damit zugleich auf die Stärkung der Gleichstellung von Frau und Mann und des Rechts von Frauen auf ein gewaltfreies Leben. Praktisch bedeutet das u. a., dass in Deutschland ca. 7000 zusätzliche Plätze in Frauenhäusern geschaffen werden müssen, um den bestehenden Bedarf zu decken.
Eine weitere Schwierigkeit, die Frauenhäuser haben, ist die Finanzierung ihres Angebots: die Projekte erhalten Fördermittel von Stadt und Land, daran gebunden ist ein 10 %-iger Eigenanteil der Fördersumme, den die Vereine und Träger selbst erwirtschaften müssen. Das heißt, die Frauenhäuser sind darauf angewiesen, ihre Eigenmittel, z. B. über Mieteinnahmen in den Frauenhäusern, zu erwirtschaften, damit sie förderfähig für die Gelder von Stadt und Land sind – ohne Eigenmittel keine Fördergelder! Die Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen fordern schon sehr lange eine Vollfinanzierung ihrer Projekte.Frauenhaus Hessen: >> Ein großes Problem, welches sich sowohl auf die Arbeit im Frauenhaus als auch das Leben der betroffenen Frauen auswirkt, stellt das Thema Wohnungsnot dar. Die meisten Frauen haben große Schwierigkeiten, eine (bezahlbare) Wohnung zu finden – entsprechend dehnt sich ihr Aufenthalt im Frauenhaus oftmals über einen langen Zeitraum aus. Für die Frauen und ihre Kinder ist dies oftmals ein zäher und nervenaufreibender Prozess. Zudem bleiben dadurch anderen Frauen, die sich in akuten Gewaltsituationen befinden, dringende Plätze in Frauenhäusern verwehrt. Womit eine weitere Schwierigkeit anklingt: die viel zu geringe Anzahl an Frauenhausplätzen.
Weiter stellt uns auch die Sicherung der Finanzierung der Frauenhausarbeit immer wieder vor große Hürden: Arbeit mit von Gewalt betroffenen Frauen und ihren Kindern braucht nicht nur ambitionierte und professionelle Mitarbeiter*innen, sondern auch personelle Kapazitäten, genügend Zeit, passende Räumlichkeiten u. v. m. – alles Dinge, die nur durch ausreichende finanzielle Mittel umgesetzt werden können.
Außerdem möchten wir die mangelnde Rechtsgrundlage, auf der die Arbeit im Frauenhaus fußt, als eine Schwierigkeit benennen: Sowohl für die Frauenhäuser als auch für die Beratungsstellen gibt es keine einheitlichen Regelungen, was vor allem die Finanzierung betrifft. Dies hat zur Auswirkung, dass Frauenhäuser immer existenzbedroht sind bzw. um finanzielle Mittel werben müssen. Die intensive persönliche Arbeit mit den Frauen und Kindern kann dadurch eingeschränkt sein.
(Gutes) Personal kostet! Nur dank vieler Spender*innen ist es möglich, für Frauen und Kinder unterstützende Angebote zu finanzieren, die unseres Erachtens eine hohe Lebensqualität bieten, wie Freizeit-, Kultur- oder auch therapeutische Angebote.Frauenhaus Ludwigshafen: >> Nach wie vor ist eine der allergrößten Herausforderungen die finanziell unsichere Lage der Frauenhäuser. Es gibt zwar einen Landeszuschuss und teilweise auch kommunale Zuschüsse für die Finanzierung, allerdings sind dies nur „freiwillige Leistungen“. Das bedeutet, dass die Frauenhäuser jedes Jahr aufs Neue hoffen und bangen müssen, dass es nicht zu Kürzungen oder gar Streichungen kommt.
Wie viele Frauen habt Ihr im Durchschnitt – oder im Jahr – zur Betreuung?
Frauenhaus Dortmund: >> Wir nehmen jedes Jahr etwa 100 Frauen und etwa genauso viele Kinder auf.
Frauenhaus Leipzig: >> Im Jahr 2019 erhielten im Frauenhaus 61 Frauen und 53 Kinder Zuflucht, Schutz und Unterkunft. Allerdings mussten aufgrund von fast ganzjähriger Vollbelegung 118 Frauen und 181 Kinder, die Schutz vor häuslicher Gewalt suchten, abgelehnt werden. Wenn Frauen und Kinder abgelehnt werden müssen, verweisen wir an die umliegenden Frauenhäuser sowie bei Bedarf an die zuständigen Interventionsstellen, in denen eine ambulante, sozialpädagogische Beratung bei häuslicher Gewalt und Stalking stattfinden kann.
Frauenhaus Emden: >> Im letzten Jahr wurden 52 Frauen mit 58 Kindern aufgenommen.
Frauenhaus Ludwigshafen: >> Im Frauenhaus wohnen im Schnitt jährlich zwischen 60 und 80 Frauen; in Ausnahmejahren waren auch mal 100 Frauen bei uns. Die Anzahl der mitgebrachten Kinder schwankt zwischen 40 und 75 pro Jahr.
In der externen Beratungsstelle der STUBE werden jährlich ca. 100 ambulante, kostenfreie und auf Wunsch anonyme Beratungen durchgeführt.
Wie lange bleiben die Frauen im Durchschnitt?
Frauenhaus Dortmund: >> Die meisten Bewohnerinnen, die vom Frauenhaus in eine eigene Wohnung ziehen, bleiben etwa 4 Monate.
Frauenhaus Leipzig: >> Durch die Gesetz- und Geldgeber*innen ist eine Aufenthaltsdauer von 3 Monaten angedacht. Diese Zeit reicht mittlerweile aus verschiedenen Gründen nicht mehr aus, um den Frauen und Kindern die Unterstützung und Begleitung zukommen zu lassen, die sie benötigen, um einen gelingenden Neustart zu bewältigen. Gründe hierfür sind u. a. der, vor allem in den Großstädten, prekäre Wohnungsmarkt, Multiproblemlagen in den Familien, langwierige behördliche und gerichtliche Verfahren.
Frauenhaus Hessen: >> Etwas weniger als die Hälfte der Frauen bleiben nur kurz im Haus, z. B. oftmals, weil sie aus Sicherheitsgründen in ein anderes Frauenhaus gehen müssen. Über die Hälfte bleibt jedoch wesentlich länger als sie müssen bzw. auch selbst wollen, also von 3 Monaten bis teilweise über 2 Jahre. Der angespannte Wohnungsmarkt macht einen kurzen Aufenthalt nur schwer möglich.
Frauenhaus Ludwigshafen: >> Sehr unterschiedlich: entweder sehr kurz (zwischen Tagen bis zu 2 Wochen) – in diesen Fällen gehen die Frauen entweder zurück zum Partner oder finden eine andere Lösung (z. B. Verwandte, Freunde); oder sehr lang (bis zu einem Jahr) – Frauen, die den Neuanfang in einer neuen Wohnung schaffen.
Kommt es während der Aufenthalte zu Problemen – wenn ja, welcher Art?
Frauenhaus Dortmund: >> Ein großes Problem sind für die Bewohnerinnen und deren Kinder die Umgangskontakte zu dem Täter. Viele Väter, die ansonsten die Vaterrolle nicht ausgeübt haben, nutzen diese Kontakte, um Druck auf die Kinder und damit auch auf die Mütter aufzubauen.
Frauenhaus Hessen: >> Selbstverständlich kommt es während der Aufenthalte immer wieder zu Problemen. Diese sind ebenso vielfältig wie die Frauen und ihre Hintergründe und Geschichten selbst.
Wie bereits beschrieben, stellt für viele Frauen ein in die Länge gezogener Aufenthalt in der Einrichtung ein großes Problem dar. Ein weiteres Problem ergibt sich, wenn Täter den Aufenthaltsort von Frauen ausfindig machen. Hierdurch kann die Sicherheit erheblich beeinträchtigt werden. Tritt dieser Fall ein, müssen schnellstmöglich Schritte eingeleitet werden, z. B. Wechseln in ein anderes Frauenhaus, wodurch die Frauen und ihre Kinder (wieder) Stress und Angst durchstehen müssen und aus ihrem neuen Umfeld rausgerissen werden.Frauenhaus Emden: >> Bei Migrantinnen kommt es vor, dass während des Frauenhausaufenthaltes keinerlei existenzunterstützende Maßnahmen aufgrund des Aufenthaltsstatus greifen und die Frau Deutschland ggf. verlassen muss. Auch werden Frauen von den gewalttätigen Männern aufgespürt und müssen das Haus wieder verlassen; sie werden anonymisiert in einem anderen Frauenhaus untergebracht, sodass der Verbleib nicht rückverfolgt werden kann.
Kommt es vor, dass Frauen wiederkommen, also leider erneut Gewaltopfer wurden?
Frauenhaus Dortmund: >> Es kommt vor, dass einige Frauen häufiger in ein Frauenhaus gehen. Da es keine allgemeinen Statistiken dazu gibt, können wir dies nur für Bewohnerinnen sagen, die schon einmal in unserem Haus waren. In Dortmund waren es im letzten Jahr 2 Frauen.
Frauenhaus Leipzig: >> Ja, das kommt vor. Es ist sehr schwer aus einer jahrelang andauernden Gewaltdynamik einer Beziehung auszubrechen, dafür braucht es viel Mut, Unterstützung und manchmal auch mehrere Anläufe. Wichtig ist, dass die Frauen das Gefühl haben, sie können sich immer wieder an uns wenden, bekommen Hilfe und werden nicht verurteilt.
Frauenhaus Hessen: >> Dieses Szenario kann durchaus vorkommen. Gründe für das, teilweise mehrmalige, Zurückkehren zum Täter können beispielsweise ökonomische Abhängigkeit, Angst, nicht alleine zurechtzukommen, oder auch Druck durch die Familie darstellen.
Frauenhaus Emden: >> Ja, leider kommt es oftmals dazu. Entweder weil die Person in die Gewaltbeziehung zurückkehrt oder weil sie in einer neuen Beziehung erneut Gewalt erfährt. Dennoch ist der Weg über das Frauenhaus ein Schritt aus der Gewalt, den die Frauen dann kennen und somit wieder gehen können.
Was ist für Euch das Schönste an der Arbeit?
Frauenhaus Dortmund: >> Frauen, die Unterstützung in einer existenziellen Notlage suchen, finden diese bei uns akut und unbürokratisch.
Frauenhaus Leipzig: >> Für mich persönlich ist das Schönste an dieser Arbeit, wenn ich ehemalige Klient*innen und deren Kinder nach ihrem Auszug treffe und sehen kann, dass es allen gut geht. Wirklich schön ist auch, zu bemerken, wie sehr die Frauen und Kinder Kraft schöpfen können in diesem sicheren Rahmen und welche Selbstwirksamkeitskräfte während dem Aufenthalt im Frauenhaus zutage treten – diese empowernde Entwicklung beobachten wir bei den allermeisten Klient*innen.
Frauenhaus Hessen: >> Dass die Arbeit mit von Gewalt betroffenen Frauen nicht nur von Traurigkeit, Angst und Schwere geprägt ist, sondern auch mit jeder Menge Kraft, Mut und Motivation verbunden ist.
Frauenhaus Emden: >> Frauen, die an Selbstsicherheit gewinnen und ihr Leben eigenverantwortlich gestalten.
Die Arbeit mit den unterschiedlichen Frauen und Charakteren; und ihnen verdeutlichen zu können, dass das Frauenhaus eine gute Anlaufstelle darstellt und es Möglichkeiten gibt, ein Leben ohne den Aggressor zu führen.Frauenhaus Ludwigshafen: >> Den Neustart von Frauen zu begleiten, dabei zuzusehen und ein wenig dazu beizutragen, dass verängstigte Frauen wieder aufblühen und zu sich selbst zurückfinden.
Was ist für Euch das Schlimmste an der Arbeit?
Frauenhaus Dortmund: >> Für mich ist am schlimmsten, dass es immer noch so viel Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder gibt.
Frauenhaus Leipzig: >> Die anstrengende Seite unserer Arbeit ist zum einen, dass wir sehr oft, manchmal täglich, in Krisensituationen arbeiten, die sehr schnelles und konzentriertes Handeln von uns verlangen und zum anderen, dass wir tagtäglich mit dem Thema „Gewalt“ konfrontiert sind. Um arbeitsfähig bleiben zu können und ihre eigene psychische Gesundheit zu schützen, ist es notwendig, dass auch die Fachkräfte regelmäßig Supervision und fachlich begleiteten Austausch erhalten.
Frauenhaus Hessen: >> Die Kontinuität von Gewalt gegen Frauen zu begreifen. Darüber hinaus in der Arbeit immer wieder mit der strukturellen Dimension von Ungleichheit konfrontiert zu sein (z. B. ökonomische Abhängigkeit, erschwerte Zugänge zu Bildung und Beruf, Wohnungsnot).
Frauenhaus Emden: >> Wenn deutlich wird, dass die gesamte Familie unter der Rückkehr zum Aggressor leiden wird. Dies ist besonders schlimm für die Kinder. Besonders belastend ist es, wenn die Kinder unmittelbar Opfer der gewalttätigen Übergriffe ihres Vaters werden. In diesen Fällen wie auch in ähnlich gefährdenden Fällen wird das Jugendamt involviert.
Frauenhaus Ludwigshafen: >> Frauen, die aufgrund des familiären Druckes keine andere Möglichkeit sehen, als zu ihrem gewalttätigen Partner zurückzukehren: Eltern, die sonst mit totalem Kontaktabbruch drohen, sollte die Frau es wagen, ihr Leben allein leben zu wollen.
Gibt es auch Geschichten bei Euch, die ein/kein gutes Ende haben?
Frauenhaus Leipzig: >> Es gibt natürlich unterschiedliche Ausgänge in den einzelnen Fällen – ein „gutes Ende“ ist für uns, wenn die Frauen mit ihren Kindern einen sicheren, gewaltfreien Start in ein eigenständiges Leben schaffen, das heißt, mit einer eigenen Wohnung, eigenen Finanzen und mit gestärktem Selbstbewusstsein und dem Wissen, dass sie für sich und ihre Kinder sorgen können. Ein guter Ausgang ist auch immer, dass die Frauen die (therapeutische) Möglichkeit bekommen, ihre Geschichte und ihre Traumata zu verarbeiten und wissen, an wen sie sich wenden können, wenn sie sich ggf. wieder in einer Gewaltbeziehung befinden.
Frauenhaus Emden: >> Es gibt immer wieder Geschichten mit einem tragischen Ende, z. B. wenn die Frauen den Ausstieg aus der Gewaltspirale nicht schaffen, ihr Muster einer Beziehung nicht ändern und weiterhin einen Aggressor an ihrer Seite haben.
Ein gutes Ende ist, wenn die Frauen es gemeinsam mit unserer Hilfe schaffen, eine neue Existenz aufzubauen und für sich sowie, wenn vorhanden, für ihre Kinder angstfrei und gewaltfrei leben.