Ingrid Mumm: „Seit meiner Jugend ist mir die Selbstbestimmung von Frauen sehr wichtig.“

COSMEA® Wonderwoman – Ingrid Mumm

Sexuelle Gesundheit geht jeden etwas an und doch ist es noch keine Selbstverständlichkeit offen darüber zu sprechen. Genau dafür setzt sich der Landesverband Sexuelle Gesundheit Niedersachsen ein. Lernt heute Ingrid Mumm kennen und erhaltet einen Einblick in die Arbeit des Verbandes, die unter anderem Aufklärungskampagnen, die Förderung von Präventionsmaßnahmen, Beratungsangebote für Betroffene und die Durchführung von Fortbildungen für Fachkräfte im Bereich der sexuellen Gesundheit umfasst.
Erfahrt hier, wie Ingrid Mumm und ihre KollegInnen konkret dazu beitragen, aufzuklären und die Situation der Betroffenen zu verbessern:
Liebe Ingrid, wir freuen uns auf das Interview mit Dir und darauf, Dich als COSMEA® Wonderwoman kennenzulernen!

 

Stell Dich am besten selbst einmal kurz vor…
Ingrid: >> Mein Name ist Ingrid Mumm, ich bin 68 Jahre alt und habe bis Mitte 2021 als Landeskoordinatorin für den Landesverband Sexuelle Gesundheit Niedersachsen (ehemals Aidshilfe Niedersachsen) gearbeitet. Meine Zielgruppe waren Frauen und Kinder mit HIV. Ende 2021 habe ich mich entschieden für den Vorstand des Landesverbandes zu kandidieren.
Was ist Dein „Motor“, wofür stehst Du jeden Tag auf?
Ingrid: >> Seit meiner Jugend ist mir die Selbstbestimmung von Frauen sehr wichtig. Ich mache mich vor allem stark für Frauen, die nicht so privilegiert sind wie ich und die Unterstützung im Alltag benötigen.
Wie sieht dein Arbeitsalltag aktuell aus? Was bestimmt täglich Dein berufliches Leben?
Ingrid: >> Als Rentnerin arbeite ich nicht mehr täglich, aber im Schnitt arbeite ich bis zu 10 Stunden wöchentlich für den Verband. Zum einen bin ich gemeinsam mit meinen Vorstandskollegen für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Darüber hinaus nehme ich an bundesweiten Netzwerktreffen, Fachtagungen und Kongressen, sowie internationalen Konferenzen teil. Die dort gemachten Erkenntnisse zu neuen Studien zur sexuellen Gesundheit von Frauen, mache ich auch für unsere Mitgliedsorganisationen zugänglich.
Welche sexuellen Erkrankungen gibt es und wie können Betroffene sich Hilfe holen?
Ingrid: >> Frauen sind vor allem von HPV, Chlamydien, Hepatitis, HIV und Syphilis betroffen. Sind diese diagnostiziert, gibt es Hilfe bei MedizinerInnen, in Aidshilfen und Beratungsstellen zur sexuellen Gesundheit.
Über welche Themen zur sexuellen Gesundheit klärt Ihr außerdem auf?
Ingrid: >> Wir beraten vor allem über HIV. Als Expertin für Frauen und sexuelle Gesundheit war es mir allerdings auch wichtig Frauen mit FGM/C (weibliche Genitalverstümmelung) aufzuklären und auf Wunsch ÄrztInnen zu vermitteln, die Folgeerkrankungen, aber auch eine Rekonstruktion des weiblichen Genitals anbieten. Bei Traumata nach Vergewaltigungen versuchen wir die Frauen an PsychologInnen, die darauf spezialisiert sind, zu vermitteln.
Wie gehst Du persönlich mit den Schicksalen um, die Dir durch die Betroffenen begegnen? Gibt es ein Schicksal, das Dir bis heute präsent im Kopf ist?
Ingrid: >> Mir ist klar, dass ich nicht allen Frauen helfen kann, aber das, was ich tun kann, um die Lebenssituation derer zu verbessern, die sich an mich wenden, nehme ich engagiert in Angriff und mit diesem Bewusstsein belasten mich die Schicksale nicht. Es gibt viel zu viele Geschichten, die mir noch präsent sind und eine kann ich als Beispiel von zahlreichen anderen erzählen: Frau B erholte sich langsam von der Geburt ihrer Tochter. Sie fühlte sich, als hätte sie eine schwere Grippe. Anschließend bekam sie immer wieder Medikamente wegen Pilzinfektionen im Mund und im Genitalbereich. Irgendwann war ihr Immunsystem so angegriffen, dass sie in eine Klinik eingewiesen wurde. Ihr Kind war inzwischen 2 Jahre alt. Nach zahlreichen Untersuchungen und Tests stand fest, Frau B war an AIDS erkrankt. Dank guter Medikamente konnte man die Viruslast so weit reduzieren, dass sie nunmehr als chronisch krank bezeichnet werden kann. Allerdings wurde auch ihre Tochter getestet, die ebenfalls HIV positiv ist und seit Jahren behandelt wird. Eine Behandlung, die viel komplizierter als bei Erwachsenen ist.

 

Leider passiert es heute noch immer viel zu oft, dass auch ÄrztInnen meinen HIV wäre eine Infektion, die nur schwule Männer betrifft, was dazu führt, dass Frauen, vor allem Ü-50 nicht getestet werden.
Der Verband setzt sich auch für die Entwicklung und Verbesserung von Gesetzen und Richtlinien ein, die die sexuellen Rechte von Menschen und die sexuelle Gesundheit fördern und schützen. Was konntet Ihr zuletzt erreichen?
Ingrid: >> Eine landesweite Testkampagne für sexuell übertragbare Infektionen hat in den vergangenen 2 Jahren viele Männer und Frauen erreicht. Auch die Kampagnen zur Antidiskriminierung von Menschen mit HIV im Beruf hat die Politik erreicht. Das sind nur zwei Beispiele von vielen.
Inwiefern arbeitet der Landesverband mit anderen Organisationen zusammen, um die sexuelle Gesundheit in Deutschland zu fördern?
Ingrid: >> Der Landesverband hat ein großes Netzwerk und arbeitet vor allem mit dem Queeren Netzwerk Niedersachsen (QNN), Phoenix e.V., eine Beratungsstelle für Sexarbeitende, pro famila, Mediziner*innen, Krankenkassen und vielen anderen Organisationen zusammen.
Welche Rolle spielen die Medien bei der Förderung der sexuellen Gesundheit und wie kann der Landesverband dazu beitragen, ein positives und realistisches Bild von Sexualität in den Medien zu fördern?
Ingrid: >> Öffentlichkeitsarbeit und eine gute Zusammenarbeit mit Medien und der Politik ist ein Schwerpunkt der Arbeit unseres Verbandes. Dazu nutzen wir den Internationalen Frauentag, den Internationalen Tag für Sexuelle Gesundheit, den Weltaidstag, die CSDs in Niedersachsen und viele mehr, um auf uns und unsere Zusammenarbeit aufmerksam zu machen. Für junge queere Menschen haben wir die Aufklärungskampagne „porn this way?“ aufgesetzt, mit Influencer*innen den Unterschied zwischen Pornos und reellem Sex verdeutlicht, sowie über die Vielfalt von Schutzmethoden aufklärt.
Hast Du zum Schluss noch einen Rat an alle Wonderwomen da draußen, um das Bewusstsein für sexuelle Gesundheit und die Bedeutung einer offenen und positiven Haltung gegenüber der eigenen Sexualität zu fördern?
Ingrid: >> Die Information über den eigenen weiblichen Körper ist die Voraussetzung, um eine offene und positive Haltung der eigenen Sexualität fördern zu können. Dazu muss vor allem mit Mythen (z.B. über das Jungfernhäutchen und Menstruationsblut) aufgeklärt werden, die von Generation zu Generation weiter vermittelt werden. Zudem ist es wichtig Tabus zu brechen und auch über die Klitoris zu sprechen.
Vielen Dank, liebe Ingrid für das interessante und informative Gespräch und natürlich für Eure tägliche Arbeit, die so wichtig ist!
Liebe Wonderwomen da draußen, habt Ihr Fragen an Ingrid oder möchtet Ihr Eure Meinung zu diesem Interview mitteilen? Dann hinterlasst einfach einen Kommentar unter diesem Beitrag!

 

 

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Bildnachweise:
Fotos: ©Ingrid Mumm

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