COSMEA® Wonderwoman – Johanna Zerbe aka Haana Peony
Johanna Zerbe vereint beeindruckend unterschiedliche Rollen in sich: Als Grundschullehrerin, DJ und Aktivistin setzt sie sich leidenschaftlich für Aufklärung rund um Endometriose und den Zyklus ein. In ihren Workshops und mit ihrem Kollektiv engagiert sie sich für kostenlose Menstruationsprodukte in Clubs und Schulen und macht sich stark für mehr Gleichberechtigung – auf der Tanzfläche und im Alltag. Erfahrt, wie Johanna ihre Energie zwischen Klassenzimmer, DJ-Pult und Aktivismus einsetzt und dabei Menschen inspiriert, ihren Körper und ihre Bedürfnisse besser zu verstehen.
Liebe Johanna, stell Dich am besten selbst einmal kurz vor…
Johanna: >> Hey! Mein Name ist Johanna und ich freue mich, Teil eures Interviews zu sein! Ich arbeite eigentlich als Grundschullehrerin, ein Beruf, der mich fordert und zugleich sehr glücklich macht. Mit meinen Lehrkräfteskills und meinem Interesse Aufklärungsarbeit zu leisten, entstand die Idee Workshops zum Thema Zyklus, Periode und vor allem Endometriose / Adenomyose zu geben. Wenn ich nicht gerade damit beschäftigt bin, gehe ich meiner großen Leidenschaft, dem Auflegen nach. Als DJ engagiere ich mich dafür, dass es in den (Berliner) Clubs hoffentlich ganz bald überall kostenfreie Menstruationsartikel gibt – eine Herausforderung, der ich mich auch in der Schule stelle. Mit meinen zwei Kollektiven, FEMQUENCY und dem Endo.versum (wir sind gerade dabei, uns umzubenennen), versuche ich nicht nur auf den Toiletten, sondern auch hinter den Decks für mehr Gleichstellung zu sorgen: Bei FEMQUENCY geben wir unter anderem FLINTA*-DJ-Workshops, um letztlich die Line-ups diverser zu gestalten. Mit dem Endo.versum bieten wir nicht nur ein FLINTA*-Lineup bei unseren Veranstaltungen an, sondern geben auch Workshops rund um die Themen Endometriose, Menstruation und die Phasen des Zyklus. Das Akronym FLINTA* steht für Frauen, Lesben, Inter-, Nicht-binäre, Trans- und Agender-Personen. Das Sternchen (Asterisk) am Ende soll zusätzlich weitere Variationen der Geschlechtervielfalt einbeziehen.
Ich versuche gerade, mit meinen Tätigkeiten als DJ und gleichzeitig als Person, die sich für Endometriose/Adenomyose und den Zyklus einsetzt, mehr Menschen zu erreichen, um Aufklärung über diese Themen in den gesellschaftlichen Mittelpunkt zu stellen. Das kostet viel Zeit und Kraft, dennoch bin ich motiviert, diesen Weg zu gehen und nicht nur in meiner Lehrerinnenlaufbahn, sondern auch außerhalb davon Aufklärungsarbeit zu leisten
Nenne uns 3 Worte, die Dich beschreiben:
Johanna: >>
#engagiert
#empathisch
#inspirierend
Du hast die Diagnose Endometriose erhalten, eine Erkrankung, die etwa 1 von 10 menstruierenden Personen betrifft. Wie hast Du gemerkt, dass Du Endometriose haben könntest?
Johanna: >> Eine spannende Frage, die Ihr da stellt! Ich habe schon seit meiner Jugend seltsame Rückenschmerzen, die ich nie einordnen konnte. Ich ging von Praxis zu Praxis, machte MRT-Aufnahmen, Röntgen- und Blutbilder, führte Schmerztagebücher, testete verschiedenste Tabletten aus, ließ mir die Spirale einsetzen, ließ sie wieder rausnehmen, testete Wärmekissen, ging zur Akupunktur, bekam eine Morphiumspritze, machte Yoga, Entspannungskurse und Psychotherapie – alles ohne Erfolg (außer Letzteres natürlich). In der Zeit meines Staatsexamens wurde der Schmerz im Rücken so groß, dass ich all meine Freund*innen mit meinem Klagen auf Trab hielt. Dazu kamen heftige Blutungen während meiner Periode und Krämpfe im unteren Bauch. Eine Freundin riet mir dann, dass ich mich gynäkologisch auf Endometriose untersuchen sollte. Das Wort hatte ich bis dahin noch nie gehört. Gesagt, getan, ich ging zu meinem Gynäkologen, bekam dort direkt eine Überweisung ins Krankenhaus für eine Bauchspiegelung, und eine Woche später lag ich da, hatte vier Einschnitte in meinem Bauch und endlich eine Diagnose. Um genau zu sein, waren es sogar zwei Diagnosen. Neben der Endometriose, wurde auch die Adenomyose festgestellt.
Kannst Du uns kurz erklären, was genau diese Erkrankungen sind?
Johanna: >> Endometriose bezeichnet eine gutartige, dennoch chronische Erkrankung, bei der gebärmutterähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter wächst. Das Gewebe wächst vor allem im Bauch- und Beckenraum, setzt sich beispielsweise an andere Organe, wie Blase oder Darm, was wiederum zu Schmerzen beim Urinlassen oder beim Stuhlgang führen kann. Endometriose wurde aber auch schon an anderen Stellen im Körper gefunden, Studien zeigen, dass sogar schon an Organen wie der Lunge Endometriosegewebe gefunden wurde. Endometriose kann theoretisch an jeder Stelle des Körpers wachsen.
Die Adenomyose wiederum ist eine Art Ansammlung von Endometriose-Herden in der Muskelwand der Gebärmutter. Das Gewebe unterscheidet sich dennoch von dem der Endometriose, weshalb die Adenomyose inzwischen eine eigenständige Erkrankung ist und nicht mehr als Unterart der Endometriose geführt wird.Betroffen sind von Adenomyose und Endometriose vor allem Menschen, die eine Gebärmutter haben oder mit einer geboren wurden. In Studien, die im Rahmen der zweigeschlechtlichen Trennung durchgeführt wurden, wurde festgestellt, dass jede zehnte Frau von Endometriose betroffen ist. Weltweit geht die WHO von etwa 190 Millionen Betroffenen aus – wobei die Dunkelziffer vermutlich höher ist. Vom Besuch der ersten Praxis bis hin zur Diagnose vergehen momentan sieben bis neun Jahre – ein langer Weg, wenn man sich überlegt, dass Menschen monatlich oder sogar chronisch starke Schmerzen dabei haben können.
Die Symptome beider Krankheiten können sehr unterschiedlich von Mensch zu Mensch sein. Häufig gaben Betroffene starke Unterleibsschmerzen während ihrer Periode an. Auch Sex bzw. die Zeit danach kann schmerzhaft sein. Starke Blutungen, Rückenschmerzen oder Schmerzen während des Toilettenbesuchs sind auch keine Seltenheit. Endometriose und Adenomyose können – müssen aber nicht – mit eingeschränkter Fruchtbarkeit einhergehen.Eine Diagnose erfolgt über eine Gewebeuntersuchung, die mit Hilfe einer Bauchspiegelung (Laparoskopie) durchgeführt wird. Dabei kann aber nur das Endometriosegewebe, nicht das der Adenomyose untersucht werden. Für die Adenomyose gibt es vor allem Verdachtsdiagnosen, da sonst eine Gewebeentnahme an der Gebärmutter erfolgen müsste.
Manchen Menschen werden nur winzige Herde bei der Bauchspiegelung entfernt, dennoch waren ihre Schmerzen riesig. Anderen hingegen wird per Zufallsbefund mitgeteilt, dass sie große Endometrioseherde haben, obwohl sie nie Probleme oder Schmerzen hatten.
Wir halten fest: Es gibt nicht das eine Symptom, die Krankheiten zeigen sich vielseitig, weshalb sie auch als „Chamäleon der Gynäkologie“ bezeichnet werden.
Wie sieht Dein Alltag aktuell aus? Was bestimmt täglich Dein Leben?
Johanna: >> Das ist eine spannende Frage – ehrlich gesagt, frage ich mich das manchmal auch. Mein Alltag ist sehr voll – wenn ich Menschen von meinem Tagesablauf erzähle, habe ich manchmal das Gefühl, dass sie mich für verrückt halten. Meine Liebsten erinnern mich regelmäßig daran, dass ich nicht vergesse, Pausen zu machen und zu atmen. Das ist auch gut so, denn manchmal verdränge ich, dass ich von mehreren chronischen Krankheiten, auch über die gynäkologischen hinaus, betroffen bin und meinem Körper eigentlich mehr Ruhe geben müsste. Allerdings stärkt mich der viele Aktivismus auch und zeigt mir so, dass ich mehr bin, als meine Krankheiten – aus ihnen sogar schöpfen kann.
Die Hauptstruktur gibt mein Lieblingswesen dieser Welt vor: mein Hund Jonte. Daher startet mein Tag recht früh, ich stehe zwischen Montag und Freitag gegen fünf auf, trinke meinen ersten Tee, gehe eine Hunderunde und arbeite ein bis zwei Stunden (je nach Schulbeginn) an Unterrichtsvor- oder Nachbereitungen. Danach folgt die tägliche Stunde Sport, bevor es dann in den Schulalltag geht. Nach dem Unterricht folgt wieder Vor- und Nachbereitung für eben genau diesen. Sobald alle Tabs für den Schulalltag geschlossen sind, bleibe ich meist am Laptop und schiebe noch Zeit für meine Kollektivarbeit ein. Das bedeutet: Veranstaltungsplanung, Austausch mit Clubs, Booking-Menschen, Mails an Veranstalter*innen, Interviewpartner*innen, Menschen innerhalb der Kollektive und des Vereins schreiben, Texte schreiben oder Korrektur lesen, Socialmedia-Posts kreieren sowie planen, DJ- oder Endometriose-/ Zyklusworkshops vorbereiten und, und, und … die Liste geht noch um einiges weiter.
Je nachdem, was so ansteht, bereite ich meine Musikbibliothek vor, um bei den nächsten Gigs neue Tracks spielen zu können. Bei meinen Aktivitäten versuche ich möglichst viel parallel zu machen. Manches funktioniert gut, manches muss separat geschehen. Neue Musik finden kann ich beispielsweise super, während ich mit Jonte spazieren bin oder für die Schule vor- und nachbereite. Das Material, welches ich bei den Endo-/ Zyklusworkshops nutze, nutze ich ebenfalls für den Sexualerziehungsunterricht in der Schule. Manche meiner Tätigkeiten gehen Hand in Hand und ergänzen sich prima.Dennoch: Wenn ich das alles so schreibe, klingt es teilweise verrückt und viel. Daher bin ich dankbar für das Alles, das „Viele“. Ich empfinde großes Glück darüber, dass ich dies Alles machen darf und kann. Mein Antrieb dahinter? Letztlich der Gedanke daran, dass bestenfalls die Kinder in der Schule und Erwachsene hinter dem DJ-Pult, bei den Workshops oder die Gäste bei den Veranstaltungen davon profitieren.
Mir ist bewusst, dass das Alles nicht so möglich wäre, wenn ich nicht die Unterstützung bekommen würde, die ich habe. Mein Partner ist ein wahrer Alltagsheld und kümmert sich um den Großteil der Carearbeit und achtet dabei sogar darauf, dass ich je nach Zyklusphase, das richtige Gemüse im Essen habe. Meine Freundinnen und Freunde haben Verständnis und sind so geduldig mit mir. Mein Hund ist unkompliziert und meine Familie steht immer hinter mir. Viele Privilegien, die mir dabei helfen, zu machen, was ich tue. Danke!
Du bist Lehrerin, inwieweit beeinflusst Endometriose Deinen Alltag im Klassenzimmer?
Johanna: >> Vor meinen Diagnosen beeinflusste mich dies vor allem negativ. Ich hatte keinen (guten) Zugang zu meinem Zyklus und damit auch zu meiner Periode. Lehrerin sein und Menstruation war und ist auch noch immer eine große Herausforderung. Vor der Diagnose hatte ich mich mit Schmerzmitteln vollgestopft und mich zur Schule gequält. Mir war nicht bewusst, dass ich mich auch hätte krankmelden können. Stattdessen schleppte ich mich von Stunde zu Stunde, konnte nicht zu den Kindern gehen, stand völlig neben mir und rannte in den Pausen – wenn ich denn überhaupt eine hatte – zur Toilette, um dort den Schmerz auszuweinen. Wenn es die Zeit zuließ, wechselte ich meine Menstruationsartikel. Da man im Lehrkräftealltag allerdings nicht davon ausgehen kann, dass man eine Pause für Toilette hat, benutzte ich eine riesen Cup, eine dicke Menstruationsunterhose und trug ausschließlich schwarze Kleidung, wohlwissend, dass ich nach fünf Stunden vermutlich auslaufen würde. Kurzum: Es war schrecklich!
Heute weiß ich, dass meine starke Blutung zur Endometriose und Adenomyose gehört und nicht normal ist, wie es in Ratgebern steht. Dazu eine Zwischenfrage: Was soll eine „normale“ Periode überhaupt sein? Jeder Mensch blutet auf seine Art und Weise. Sicherlich lässt sich festhalten, dass Periode nicht schmerzhaft und starkblutend verlaufen sollte. Dennoch nimmt jede Person die Periode anders wahr, Dein Schmerz kann für mich kein Schmerz sein und umgekehrt. Wir nehmen individuell Schmerz wahr und finden – im besten Fall – einen eigenen Umgang damit. Ich las mich über die Jahre in viele Bücher ein und erfuhr dadurch, wie ich meinen gesamten Zyklus nutzen kann (und muss), um weniger Schmerzen zu haben.
Seitdem ich mich aktiv um mich und meinen Zyklus kümmere, die Phasen (er-)lebe, mich passend ernähre und Sport entsprechend (nicht) treibe, geht es mir besser. Ebenso wichtig war für mich die Akzeptanz der Krankheiten und somit nicht mehr gegen sie, sondern mit ihnen zu arbeiten.Ich würde sagen, dass ich seit einem Jahr nun auf einem guten und gesunden Weg bin, meine Endometriose, meine Adenomyose und meine Periode in der Schule wahrzunehmen. Ich passe meinen Unterricht an, wenn es geht. Ich versuche in meiner Lutealphase keinen Frontalunterricht zu geben, während ich in der Follikelphase den Kindern gern begeistert von einem Thema erzähle. Wenn meine Menstruation zu stark ist, ich Schmerzen habe, mir Übel wird, dann bleibe ich zu Hause. Die Akzeptanz dahin, dass ich dann nicht arbeitsfähig bin, war ein langer Weg, aber er hat sich gelohnt. Es bringt am Ende niemanden etwas, wenn dort eine kranke und schmerzbelastete Lehrkraft sitzt, die von einer Etage zur nächsten den Fahrstuhl nutzen muss, weil Treppen zu schmerzhaft sind. Endometriose und Adenomyose heißt sich Grenzen zu setzen. Meine Arbeitsweltgrenze startet dann, wenn mein Uterus mehr Aufmerksamkeit einfordert, als die Schüler*innen im Unterricht und wenn das alle paar Wochen ist, dann ist es eben so. Diese Freiheit von „dann ist es eben so“, sehe ich wieder mal als Privileg. Mir ist bewusst, dass Menschen, die in der Selbstständigkeit arbeiten vielleicht nicht unbedingt das Glück haben, sich krankzumelden und trotzdem bezahlt zu werden. Vielleicht bringt Selbstständigkeit aber an anderen Stellen Vorteile, die ich im Angestelltenverhältnis nicht unbedingt habe.

Als Lehrerin erlebst Du den Schulalltag aus erster Hand. Wo siehst Du den größten Handlungsbedarf, wenn es darum geht, Endometriose in Schulen sichtbarer zu machen?
Johanna: >> Periode, Zyklus, Menopause – all das sind Themen, die gesellschaftlich immer noch nicht den Stellenwert haben, den sie eigentlich verdient hätten. Gerade im Bildungssystem sollte man erwarten, dass solche Inhalte einen Platz finden, insbesondere weil sie ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Gleichberechtigung sind. Doch von einer umfassenden Aufklärung – insbesondere zu Erkrankungen wie Endometriose – sind wir leider noch weit entfernt.
Meiner Meinung nach sollten Themen wie Endometriose oder „einfach nur“ das Thema Menstruation nicht nur im Biologie-Leistungskurs behandelt werden, sondern weit über den Unterricht hinaus eine größere Rolle spielen. Denn selbst viele Erwachsene – einschließlich des Schulpersonals – haben noch nie von PMS gehört, geschweige denn von Menstruationstassen oder Endometriose. Das überrascht nicht, schließlich ist der gesamte Zyklus für viele nach wie vor ein Buch mit sieben Siegeln. Über die Wechseljahre – in denen sich viele Lehrkräfte aktuell befinden – wird erst recht kaum gesprochen. Die meisten kennen bestenfalls den Begriff „Menopause“.Dabei haben wir in der Schule einen klaren Bildungsauftrag: Rein statistisch betrachtet, gibt es in jeder Klasse mindestens zwei Personen, die von Endometriose betroffen sind (Stichwort: eine von zehn). Ein weiterer Grund, dieses Thema aktiv zu behandeln. Doch auch hier sieht die Realität oft anders aus.
Ich selbst unterrichte Sexualerziehung in der sechsten Klasse. Spätestens dann spreche ich mit meinen Schüler*innen über Endometriose, Adenomyose, PCOS und andere Erkrankungen, die mit den Sexualorganen in Verbindung stehen können. Dabei spielt das Geschlecht keine Rolle – alle lernen über alle Themen. So experimentieren auch „die Jungen“ mit dem berühmten Rote-Bete-Marmeladen-Gemisch, genau wie „die Mädchen“.Gerade anhand der Themen Periode, Zyklus und Endometriose haben die Kinder schnell erkannt, dass von echter Gleichberechtigung noch keine Rede sein kann – auch nicht in der Schule.
Kostenlose Menstruationsprodukte auf Schultoiletten, damit sich alle das Bluten leisten können? Leider bisher nur eine Wunschvorstellung, obwohl Schulen von Kindern mit unterschiedlichsten finanziellen Hintergründen besucht werden. Dabei kann die Periode zu einer sozialen Frage werden: Wer sich keine Menstruationsprodukte leisten kann, bleibt im schlimmsten Fall zu Hause, bastelt sich eine Notlösung oder nutzt Menstruationsartikel viel zu lange – was wiederum gesundheitliche Folgen haben kann. Hinzu kommt das Problem des Period-Shamings: Solange Menstruation nicht völlig normalisiert wird, wird es Schüler*innen geben, die sich für Blutflecken auf der Kleidung schämen.Für mich gehen Aufklärung über den Zyklus und Wissen über Endometriose Hand in Hand – nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Es muss ins Bewusstsein rücken, dass starke Schmerzen, heftige Blutungen oder chronische Rückenschmerzen nicht „einfach dazu gehören“, sondern ernstzunehmende Einschränkungen bedeuten. Wie viel besser wäre es, wenn wir alle mehr Verständnis füreinander hätten? Wenn wir wüssten, was Endometriose für Betroffene – und auch deren Umfeld – bedeutet, könnten wir gezielt unterstützen. Als Lehrkraft könnte ich meinen Schüler*innen Hilfsmittel oder einfach kleine Dinge anbieten, die ihnen guttun. Als Kollegin hätte ich mehr Verständnis dafür, wenn Frau Maier alle 34 Tage für einige Zeit ausfällt.
Meine Sechstklässler*innen waren dankbar für die Sexualerziehung und besonders für die Aufklärung über Endometriose und Co. Mich hat es berührt, als am Ende alle einstimmig sagten, dass es sinnvoll sei, immer Tampons dabeizuhaben – sei es für sich selbst oder eine blutende Freundin. Diese Momente zeigen mir, dass es Hoffnung gibt: eine neue Generation, in der Kinder – unabhängig vom Geschlecht – über Endometriose und die magische Wirkung einer Wärmflasche Bescheid wissen.
Mit Endometriose zu arbeiten kann sehr herausfordernd sein. Welche Tipps würdest Du Betroffenen oder Arbeitgebern geben, um gemeinsame Wege zu finden?
Johanna: >> Transparenz und Aufklärung! Beides geht aus meiner Sicht nur gemeinsam. Um zu verstehen, wie Menstruation und somit auch Endometriose und Adenomyose funktionieren können, müssen wir darüber sprechen. Denn Gespräche schaffen Sichtbarkeit.
In einer Welt, in der Menstruation sichtbar ist, wissen wir, wie der Zyklus funktioniert, welche Herausforderungen Menstruation oder PMS mit sich bringen, könnten wir besser füreinander sorgen und somit schließlich auch Arbeitsplätze menstruationsfreundlich gestalten. Wenn der Schritt getan wird, dann sollte auch direkt die Endometriose und Adenomyose mitgedacht werden. In Spanien gibt es den sogenannten „Menstruationsurlaub“ (wobei das Wort „Urlaub“ meiner Meinung nach nicht gut gewählt ist, für unsere deutsche Übersetzung). Diese „Auszeit“ trägt einen kleinen Schritt zur Gleichstellung bei, denn sie bringt die Möglichkeit mit sich, dass Menschen mit Uterus auf ihre Herausforderungen der Periode eingehen können. Sicherlich, man könnte sich auch einfach krankmelden. Die Statistik belegt allerdings, dass Menschen sich auf Grund ihrer Periode nur ungern abmelden. Bietet eine von außen gegebene Struktur aber die Möglichkeit sich ggf. mit besserem Gewissen abzumelden, so könnte dies eine mögliche Erleichterung sein.Aber es braucht noch mehr als das. Arbeitgeber*innen können aktiv dazu beitragen, menstruationsfreundliche Arbeitsplätze zu schaffen. Zum Beispiel durch höhenverstellbare Steh- und Sitzschreibtische, die es ermöglichen, je nach Bedürfnis flexibel zu arbeiten. Manchen Menschen tut das Stehen gut während ihrer Periode, anderen das Sitzen.
Rückzugsorte, in denen man sich ausruhen kann, sollten genauso selbstverständlich sein wie kostenlose Menstruationsartikel in den Toiletten. Auch Homeoffice kann eine große Unterstützung sein – gerade an Tagen, an denen die Symptome besonders stark sind. Ebenso hilft es, wenn Meetings und wichtige Termine so gelegt werden können, dass sie nicht in die Zeit des PMS fallen, in der Konzentration und Belastbarkeit eingeschränkt sein können. Natürlich nicht bei allen menstruierenden Menschen! Wir sind verschieden und unterschiedlich belastbar, einige haben keinerlei Einschränkungen während der Periode.
Vor allem aber braucht es ein offenes Ohr. Wenn Betroffene sich ernst genommen fühlen, entsteht eine Arbeitskultur, in der sie ihre Leistung erbringen können, ohne ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Ein bewussterer Umgang mit Menstruation und chronischen Erkrankungen wie Endometriose und Adenomyose ist kein ‚Extra-Service‘ – es ist ein Schritt hin zu echter Gleichberechtigung am Arbeitsplatz.
Welche spezifischen Herausforderungen siehst Du für menstruierende Personen, auf dem Weg zur Diagnose Endometriose?
Johanna: >> Eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zur Endometriose-Diagnose ist, überhaupt ernst genommen zu werden. Viele Betroffene erleben Gaslighting durch Ärzt*innen – ihre Schmerzen werden heruntergespielt, als ‚normale Periodenschmerzen‘ abgetan oder sogar auf psychische Ursachen geschoben. Dadurch zweifeln viele erst mal an sich selbst, bevor sie überhaupt auf die Idee kommen, dass es Endometriose sein könnte.
Dann stellt sich die nächste Hürde: die richtigen Ansprechpersonen zu finden. Nicht alle Gynäkolog*innen haben Erfahrungen mit Endometriose – geschweige denn sind sie spezialisiert. Viele wissen selbst nur wenig darüber. Das bedeutet oft monatelanges, wenn nicht jahrelanges Suchen nach Ärzt*innen, die überhaupt das nötige Wissen haben, um eine Diagnose zu stellen.
Dazu kommt, dass man erst einmal die Zeit haben muss, sich untersuchen zu lassen. Arzttermine sind oft schwer zu bekommen, Untersuchungen ziehen sich hin – und das alles während man möglicherweise mit chronischen Schmerzen lebt, arbeitet oder studiert. Die psychische Kraft, diesen Marathon durchzuhalten, darf man nicht unterschätzen. Viele geben irgendwann frustriert auf, weil sie schlichtweg keine Kapazitäten mehr haben – sei es emotional, finanziell oder zeitlich.
All diese Faktoren sorgen dafür, dass es im Durchschnitt sieben bis zehn Jahre dauert, bis Endometriose diagnostiziert wird. Das ist inakzeptabel. Wir brauchen mehr Aufklärung, bessere medizinische Ausbildung und eine Gesundheitsversorgung, die Betroffene nicht im Stich lässt.
Wie unterstützt Du menstruierende Personen dabei, ihren eigenen Weg mit der Endometriose zu finden?
Johanna: >> Einerseits versuche ich möglichst viel über das Thema mit unterschiedlichen Menschen zu sprechen – sei es privat oder mit Menschen, die die Gespräche in der Öffentlichkeit teilen können. Ich war bereits bei einigen Radiosendern. In der nächsten Woche steht das nächste Interview zum Thema Endometriose und Clubs bei Deutschlandfunk Nova an. Zu meinen Gesprächen gehört auch die Aufklärung im schulischen Kontext. Neben dem Sexualunterricht, der sich an die Kinder richtet, nutze ich meine Kontakte und Position über meine Gewerkschaft der GEW und habe dort beispielsweise bereits einen Artikel über das Thema Periode in der Schule geschrieben.
Anfang März 2025 gab ich im Periodenladen Berlin meinen ersten Workshop zum Thema Endometriose, Zyklus und Menstruation. Es war eine Mischung aus Vortrag, entsprechenden Daten und Fakten teilen, eine Austauschrunde und schließlich haben wir Ideen gesammelt dafür, was wir tun können, um für uns selbst da zu sein, wenn es uns mal nicht so gut geht. Diese Ideen kamen schließlich in eine Perioden-SOS-Box, die Dinge, wie beispielsweise ein TENS-Gerät, eine Wärmflasche, Öle, ein Buch und eben Vorschläge mit Taten beinhaltet, die einem gut tun können (beispielsweise eine Badewanne nehmen, einen entspannten Spaziergang machen, schlafen …). Der Workshop war kostenlos, da ich möglichst vielen Menschen die Möglichkeit geben möchte, an Veranstaltungen wie dieser teilzunehmen. Geld darf dabei keine Hürde sein, wenn die Gesellschaft an sich es schon ist.
Auch bei unseren Veranstaltungen über das Endo.versum (in Umbenennung), bieten wir Workshops rund um das Thema Endometriose, Zyklus und Periode an. Ich hoffe, dass Menschen auf diese Veranstaltungen aufmerksam werden, teilnehmen und somit eine kleine Grundlage für ihren Weg bekommen. Natürlich steht danach der Austausch der Teilnehmenden im Fokus. Wir führen als Kollektiv eine kleine Telegram-Gruppe, in der sich über Gadgets, Tipps und Erfahrungen ausgetauscht werden kann.
Auch mit meinem Instagram-Account stehe ich Menschen zur Verfügung und versuche auf Fragen zu antworten. Auf unserem Endo.versums Account veröffentlichen wir Stück für Stück Informationen rund um den Zyklus und natürlich zum Thema Endometriose sowie Adenomyose. Ich gebe mein Bestes über möglichst verschiedene Kanäle Menschen zu erreichen und hoffe so sehr, dass etwas ankommt.
Du bist DJ und Aktivistin im Bereich Endometriose, wie verbindest Du diese beiden Welten miteinander?
Johanna: >> Beides passt tatsächlich gut zusammen, da die Welt des Auflegens, der Clubs und Endometriose/ Adenomyose bzw. Periode im Allgemeinen nämlich so gar nicht gut zusammenpassen.
Schon als Gast, ohne (im besten Fall) die Möglichkeit eine Backstage-Toilette als DJ besuchen zu können, habe ich gemerkt, dass Menstruation und Club einfach nicht gut passt. Die Hürden starten bereits, bevor man überhaupt den Eingang des Clubs erreicht hat: Wer schon mal drei Stunden vor einem Berliner Club gewartet hat, weiß dass Getränke irgendwann wieder rausmüssen. Mit Menstruationsblut ist es nicht anders – das was die Gebärmutter tagelang aufgebaut hat und nun auf Grund fehlender Befruchtung nicht genutzt wird, muss wieder raus. Während die Gäste geduldig auf den Stempel der Türersteher*innen wartet, tut es das Menstruationsblut nicht. Ohne Stempel und Toilettenzugang vor den Clubs, kann es schnell passieren, dass man schon vor dem Betreten der Tanzfläche ein Problem hat.
Hat man es dann endlich in den Club geschafft, geht das Warten weiter – diesmal für die Toilette. Menstruieren kostet Zeit. Es fehlen Möglichkeiten, Menstruationsartikel zu wechseln oder zu säubern. Dass ein gesunder Wechsel gewaschene Hände fordert, ohne danach nochmal den Türgriff der Clubtoilette anzufassen, sei mal dahingestellt.
Steht man dann endlich in der Kabine, wird es nochmal herausfordernd – schummriges Licht, wenig Platz, keine Ablagemöglichkeiten. Alles dauert. Das merken auch die anderen Menschen in der Schlange, diese werden ungeduldig und klopfen an die Kabine. Häufig sind diese klopfenden Menschen diejenigen, die die Toilettenkabine allerdings nicht unbedingt für einen Klogang oder Wechsel von Periodenartikeln brauchen. Vielleicht brauchen genau diese Menschen eine Alternative, damit Toiletten wieder dafür genutzt werden können, wofür sie gebaut wurden.
Solang wir der Wartezeit ausgeliefert sind, plädiere ich immerhin dafür, dass die Wege zur Toilette mit Informationsmaterial zugeklebt werden, die darauf hinweisen, dass Menschen die Toiletten nutzen müssen, um Tampons, Cups, etc. zu wechseln. Vielleicht könnten wir sogar einen Schritt weiter gehen und Informationen über Endometriose und Adenomyose aufhängen? Clubtoiletten sind ohnehin mit Stickern voll, warum nicht sinnvoll nutzen?
Die Endometriosevereinigung bietet kostenloses Material an, es müsste nur jemand bestellen.
Auch beim Auflegen als Künstlerin ist die Periode eine Herausforderung, die einem schwerer gemacht wird, als sie sein müsste. Wer keinen regelmäßigen Zyklus hat und stattdessen regelmäßig von der Blutung überrascht wird, kennt sicherlich die Sorge, dass man plötzlich während des Gigs ausläuft. Natürlich kann man hier mit Menstruationsunterhosen oder Cups vorsorgen. Allerdings rettet einen das nicht vor den Schmerzen, die plötzlich einschießen können. Ich persönlich lege daher keine Sets über drei Stunden auf. Werde ich gefragt, warum, erzähle ich es offen – doch nicht immer stoße ich auf Verständnis.
Einigen Menschen fehlt das Bewusstsein für solche Herausforderungen. Wer nicht zuhört, versteht nicht – und wer nicht versteht, setzt sich selten für Lösungen ein. Deshalb sind Initiativen wie das Endo.versum wichtig. Clubs könnten solche Projekte unterstützen, indem sie Räume bereitstellen oder zumindest Infomaterial in den Toiletten platzieren. Im Idealfall könnten Sitzmöglichkeiten auch hinter den Decks angeboten werden, anstatt stehen zu müssen. Es könnten Wärmekissen oder TENS-Geräte angeboten werden. Auch sollte dafür gesorgt werden, dass zumindest darüber informiert wird, wo die nächste Toilette ist. Was es dann noch braucht? Kostenlose Menstruationsartikel in den Toiletten! Wenn Clubs damit argumentieren, dass diese gestohlen werden, dann ist das doch eher der Beweis dafür, wie bedürftig die Menschen danach sind. Diese Bedürfnisse können unterstützt und gestillt werden. Ich wäre dafür, dass vom Eintrittsgeld einer Clubnacht, von jedem Gast 10 Cent in die Besorgung von Artikeln für die Clubs fließen.Ich hoffe, dass unsere Arbeit irgendwann Früchte trägt und wir auf dieses Interview zurückschauen und uns denken: Wie absurd, dass es damals keine kostenlosen Menstruationsartikel in öffentlichen Einrichtungen gab, das ist doch heute selbstverständlich. Momentan stehe ich jedoch bei jedem DJ-Workshop von FEMQUENCY da und erinnere die Teilnehmenden, die menstruieren können daran, dass sie vor ihrem ersten Gig einen kleinen Beutel packen: Tampons, Desinfektionsspray, Binden, eine Cup – was immer sie nutzen wollen. Ich ermutige sie dazu, zu kommunizieren, dass sie (vielleicht) ihre Periode haben könnten an diesem Abend und dementsprechende Unterstützung seitens des Clubs haben möchten. Wir sind einfach noch nicht da angekommen, wo wir sein müssten: Die Periode ist noch nicht normalisiert, wir müssen über sie sprechen und uns für sie stark machen!

Die Welt ist Dir nicht genug, Du machst jetzt ein endo.versum. „endo.versum“ ist eine Initiative, die Du gegründet hast, um Endometriose sichtbarer zu machen. Erzähle uns dazu mehr.
Johanna: >> Unser Kollektiv „Endo.versum“, entstand aus meinem persönlichen Endo-Tief. Nach meiner OP fragte ich mich damals, wie es sein kann, dass ich acht Jahre im Dunklen tappte, noch nie etwas von Endometriose hörte und das, obwohl jede zehnte menstruierende Person davon betroffen ist. Während meines Tiefs war ich eine sehr lange Zeit arbeitsunfähig, obwohl ich meinen Job als Lehrerin sehr mag! Aber es ging nichts mehr. Irgendwann rettete ich mich selbst aus diesem Loch, indem ich mir das Auflegen beibrachte. Daraus entstand der Gedanke: „Wenn mir Musik so guttut, dann muss es doch auch anderen helfen?“ Nur einige Monate später fand das erste Meeting statt: Menschen, die ebenfalls das Thema Endometriose und Adenomyose, Zyklus und Periode in den gesellschaftlichen Mittelpunkt rücken wollten, saßen zusammen an ihren Laptops und sammelten Ideen. Gemeinsam schafften wir einen Raum für Austausch und Unterstützung, der zunächst über das Meeting und eine Telegramgruppe lief. Später starteten wir einen Instagram-Account, der kleine Aufklärungsposts veröffentlicht. Wir suchen übrigens für diesen Bereich händeringend nach Menschen, die Lust haben, mitzumachen und sich vielleicht mit Social Media auskennen.
Über die digitale Welt hinaus zum echten Leben, findet man uns in Berliner Clubs, die wir nach und nach immer mehr betreten wollen. Dort haben wir unseren Infostand, der Materialien zur Aufklärung und einige Spiele bereithält. Auch gibt es dort verschiedene Endo-Stories zu lesen. Wir möchten an unserem Stand mit verschiedenen Menschen ins Gespräch kommen und für unsere Themen sensibilisieren. Abseits des Infostands, bietet unser Kollektiv auch Workshops an, wie beispielsweise im Klunkerkranich letztes Jahr und auch wieder am 31.05.2025. Nach den Workshops startet dann unser Line-up, bestehend aus Menschen unseres Kollektivs. Es soll die Möglichkeit bieten, dass Menschen sich nach dem Input und Austausch zum Tanzen treffen können. Tanzen macht bekanntlich glücklich und bringt Menschen zusammen – aber man kann auch allein sein, für sich, und verarbeiten. Genau das macht unser Konzept als Endo.versum aus. Wer Interesse hat, mitzumachen, ist herzlich willkommen. Wir freuen uns immer auf neue Gesichter im Team!
Hat Dein Engagement zum Thema Endometriose Dich als Person geprägt oder gar verändert?
Johanna: >> Ja, das hat es sehr. Ohne die Diagnosen hätte es auch kein Engagemen gegeben. Ohne das Engagement wiederum, wäre ich nicht die Person, die ich heute bin. Ich habe durch die fehlenden ärztlichen Informationen viele Bücher gelesen, Workshops besucht, mich ausgetauscht und eigene Erfahrungen gemacht. Nur mit all diesen Schritten konnte ich meinen Körper, meinen Krankheitsverlauf, meine Stärken und Schwächen kennenlernen. Ich achte seither auf meinen Zyklus, weiß überhaupt erst, dass es einen Zyklus gibt. Vor der Diagnose waren mir die Phasen des Zyklus unbekannt. Ich passe meine Ernährung an, achte darauf, wann mein Körper welchen Sport machen kann und bin einverstanden, wenn ich mal keine 80 Kilo beim Kreuzheben schaffe. Ich kenne meine Grenzen und achte sie immer mehr. Der Weg dahin war nicht leicht und ich bin auch noch lange nicht am Ende angekommen. Dennoch bin ich dankbar dafür, dass ich ihn gehen darf.
Das sind alles Privilegien! Ich habe die Kapazitäten gehabt, mich mit den Themen Zyklus, Periode und Endometriose auseinanderzusetzen. Ich habe die Unterstützung gehabt! Vor allem aber habe ich die Kraft gehabt – eine Kraft, die nicht jede aufbringen kann und erst recht nicht muss. Ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist: Kranksein heißt oft das Gegenteil von dem, was ich mache, und das ist okay. Mein Körper und mein Kopf funktionieren so, dass sie aus der aktiven Auseinandersetzung und dem Erleben von Projekten Kraft ziehen. Ich wünsche mir, dass ich das teilen kann und den Menschen, die vielleicht weniger Kapazitäten haben, etwas von meiner Energie, meinem Wissen, meinen Erfahrungen weitergeben kann.
Ich gehe außerdem offen mit dem Thema um. Das zeigt sich auch darin, wie ich zeige, dass ich Bauch- oder Rückenschmerzen habe. Früher hätte ich mich nie getraut, eine Wärmflasche sichtbar im Unterricht zu tragen. Heute kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, wie ich ohne eine in die Hose gesteckte Wärmflasche unterrichten könnte. Ich trage zudem ein TENS-Gerät am Rücken, sodass Kabel teilweise sichtbar sind. Ich fühle mich besser dadurch, kann immer öfter arbeiten gehen, obwohl ich meine Periode habe. Ich habe gelernt, zu nutzen, was mir hilft, und wenn es eben Gegenstände sind, die sichtbar sind, dann ist es eben so. Ich denke, mein Engagement hat mich mutiger gemacht und das mag ich sehr!
Was sind Deine persönlichen Stärken?
Johanna: >> Im Zusammenhang mit den hier angesprochenen Themen ist es vielleicht, dass ich das Unsichtbare sichtbar mache? Ich versuche, Endometriose und Adenomyose, dem Zyklus und der Menstruation eine Bühne zu bieten, zu zeigen, dass es okay ist, darüber zu sprechen bzw. sogar notwendig. Im Allgemeinen würde ich behaupten, dass ich Menschen ganz gut Dinge erklären kann. Ich liebe meinen Job als Lehrerin und denke, dass ich, auf meine Stärken bezogen, beruflich genau da richtig bin. Dass ich dieses „Lehren“ noch an anderer Stelle, bei DJ- oder Zyklusworkshops anwenden kann, ist ein Traum! Genau dort versuche ich, Menschen zu begeistern für Themen, sie abzuholen, mitzunehmen und letztlich eigenständig weiterziehen zu lassen. Ich glaube, ich kann motivierend wirken, empathisch und geduldig sein.
Was bedeutet „Frau sein“ für Dich persönlich?
Johanna: >> „Frau“ sein bedeutet für mich nicht, irgendeiner gesellschaftlichen Erwartung zu entsprechen. Es ist kein festgelegtes Set an Eigenschaften, sondern eine individuelle Erfahrung, die vor allem mit Identität zu tun hat und weniger damit zu tun haben sollte, was uns gesellschaftlich zugeschrieben wird. Der Begriff „Frau“ selbst sollte dabei gar nicht so klar definiert sein, wie viele denken – es ist ein Begriff, der historisch und gesellschaftlich vorgegeben wurde und nicht für jede Person die gleiche Bedeutung hat.
Für mich bedeutet es, mit Widersprüchen zu leben – stark sein zu müssen, obwohl Schwäche erlaubt sein sollte, frei sein zu wollen, aber immer wieder Grenzen aufgezeigt zu bekommen. Es ist Empowerment und Frust zugleich. Es ist das Wissen, dass wir Jahrhunderte an Gleichstellungsprozessen hinter uns haben – und trotzdem immer noch nicht fertig sind.
Gibt es Frauen, die Dich besonders inspiriert haben oder die du als Vorbilder siehst? Wenn ja, welche und warum?
Johanna: >> Es gibt einige Menschen, die mich auf unterschiedliche Art und Weise in verschiedenen Kontexten inspirieren. Ich finde es schwierig, einzelne Namen herauszugreifen, weil Inspiration nicht nur von bekannten Persönlichkeiten kommt, sondern oft aus dem direkten Umfeld. Meine Freundinnen, die ihren Alltag mit oder ohne Kind, mit oder ohne Partner erleben. Meine Kolleginnen, die ihren teilweise sehr fordernden Job mit Hingabe und Leidenschaft ausüben. Meine Familie, meine Mama, meine Oma, die in früheren Zeiten ganz andere Konflikte zu lösen hatten als ich heute. Die Menschen, die trotz Widrigkeiten ihren Weg gehen, ohne sich kleinmachen zu lassen, diejenigen, die zuhören, lernen, unterstützen. Klar, es gibt auch historische oder öffentliche Figuren, die ich bewundere, aber Vorbilder müssen nicht immer berühmt sein. Manchmal steckt die größte Inspiration in den alltäglichen Gegebenheiten, die nicht auf großen Bühnen stattfinden.
Wählst Du Deine Artikel für Dich als menstruierende Person bewusst aus? Welche Menstruationsartikel benutzt Du selbst?
Johanna: >> Ich habe die ersten zehn Jahre meiner Menstruation leider nur Tampons bzw. ganz zu Beginn Binden benutzt. Leider wusste ich damals noch nichts von Schädigungen, wie beispielsweise dem toxischen Schocksyndrom (TSS) durch Tampons. Heute trage ich eine Cup oder eine Menstruationsscheibe gemeinsam mit einer Menstruationspanty. An den starken Tagen trage ich beides, vor allem, wenn ich in der Schule arbeite – weil ich befürchte, mal wieder keine Pause zu haben, um die Cup zwischendurch zu leeren. Auch bei Gigs trage ich beides.
Wenn meine Menstruation etwas abgeklungen ist, dann liebe ich es, einfach nur die Unterhosen zu tragen. Sie sind plastikfrei, dadurch luftig und bequem. Den Kindern in der Schule zeige ich mein Sexualerziehungsunterricht alle möglichen Varianten. Ich denke, sie müssen ihren eigenen Weg finden mit dem, was sie nutzen wollen und können. Dennoch ist es wichtig die Vielfalt zu zeigen und Hinweise dazu zu geben, dass einiges weniger gesund ist als anderes.
Was ist Deiner Meinung nach der wichtigste Schritt, den die Gesellschaft unternehmen könnte, um das Verständnis für Endometriose zu verbessern?
Johanna: >> Der wichtigste Schritt ist Bildung – und zwar überall. Endometriose und Adenomyose müssen endlich in den Schulunterricht, ins Medizinstudium, in betriebliche Gesundheitsprogramme. Solange die Krankheit selbst in Fachkreisen kaum verstanden wird, bleibt sie für Betroffene ein endloser Kampf um Anerkennung.
Außerdem braucht es mehr öffentliche Diskussionen, damit Endometriose nicht nur ein ‚Frauenproblem‘ bleibt, sondern als gesamtgesellschaftliche Herausforderung gesehen wird.
Letztlich braucht es natürlich auch mehr Forschung, mehr Gelder für Forschung, mehr Sichtbarkeit. Eine Krankheit, die jede zehnte Person mit Uterus betrifft, darf nicht weiterhin unter dem Radar laufen.

Was möchtest Du mit den Menschen teilen, die Symptome haben oder die Diagnose Endometriose erhalten haben?
Johanna: >> Zuerst: Du bist nicht allein. Auch wenn es sich oft so anfühlt, weil das Gesundheitssystem uns im Stich lässt, weil Schmerzen klein- oder weggeredet werden und weil es wahnsinnig frustrierend ist, immer wieder kämpfen zu müssen – es gibt Menschen, die Dich verstehen.
Der Weg zu einer Diagnose kann anstrengend sein. Die Diagnose(n) dann mitgeteilt zu bekommen, noch viel mehr. Dennoch kann aus all dem Frust und Schmerz auch Erleichterung entstehen: Die Bestätigung dafür, dass man nicht – wie die Ärzt*innen es vielleicht behauptet haben – verrückt sei, sondern „wirklich“ etwas zu haben, kann auch guttun. Zu wissen, dass der Schmerz, den man hat, nicht normal ist, sondern zu einer Krankheit gehört, kann Erleichterung schaffen.
Vernetzen und nach Unterstützung fragen kann helfen. Sich selbst zur Expertin machen, kann ein Erfolgsgefühl werden. Auch wenn der Weg dahin manchmal endlos lang und anstrengend wirkt, es kann sich lohnen. Endometriose und Adenomyose sind kein persönliches Versagen, sondern ein strukturelles Problem. Es ist okay, wütend zu sein. Es ist okay, erschöpft zu sein. Und es ist okay, Hilfe einzufordern. Die Schmerzen sind echt, die Erfahrungen sind gültig – und jeder Mensch verdient es, gehört zu werden.
Vielen Dank, liebe Johanna für Deine Offenheit in Dein spannendes Leben und natürlich Dein großartiges Engagement!
Liebe Wonderwomen da draußen, habt Ihr Fragen an Johanna oder möchtet Ihr Eure Meinung zu diesem Interview mitteilen? Dann hinterlasst einfach einen Kommentar unter diesem Beitrag!
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